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Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Erbfälle stellt vor allem in einer zunehmend globalisierten Welt eine komplexe Herausforderung dar. Immer mehr Menschen besitzen Vermögen oder haben ihren letzten Wohnsitz in verschiedenen Ländern, wodurch grenzüberschreitende Erbfälle keine Seltenheit mehr sind. Die deutsche Rechtsprechung sieht sich daher regelmäßig mit der Frage konfrontiert, ob und unter welchen Voraussetzungen ausländische Erbentscheidungen oder Erbscheine in Deutschland anerkannt und vollstreckt werden können.

Eine wesentliche Rolle spielt hierbei die EU-Erbrechtsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 650/2012), die seit 2015 innerhalb der Europäischen Union die Anerkennung von Erbfällen erleichtert, indem sie einheitliche Regeln zur Zuständigkeit und zum anwendbaren Recht schafft. Demnach gilt grundsätzlich das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Diese Verordnung bietet eine verlässliche Grundlage, doch auch außerhalb der EU – beispielsweise bei Nachlassentscheidungen aus den USA, der Schweiz oder Asien – werden die deutschen Gerichte mit Anträgen auf Anerkennung und Vollstreckung konfrontiert.

Die deutsche Rechtsprechung prüft bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen, ob diese mit den Grundsätzen des deutschen Rechts vereinbar sind. Insbesondere kommt der „ordre public“-Vorbehalt zur Anwendung, der sicherstellt, dass keine Entscheidung anerkannt wird, die gegen fundamentale Rechtsprinzipien wie die Testierfreiheit, die Pflichtteilsrechte oder die Gleichbehandlung der Erben verstößt. Auch formale Anforderungen, wie die Echtheit und Rechtskraft der ausländischen Entscheidung, werden sorgfältig überprüft. Die bloße Vorlage eines ausländischen Erbscheins führt nicht automatisch zu dessen Anerkennung; in vielen Fällen ist ein eigener deutscher Erbschein erforderlich, der den ausländischen Titel berücksichtigt und an die deutschen Anforderungen anpasst.

Darüber hinaus sind Fragen der Vollstreckung eng mit der Anerkennung verknüpft. Eine ausländische Erbentscheidung darf in Deutschland nur dann vollstreckt werden, wenn sie zuvor anerkannt wurde. Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zum Beispiel aufgrund von Betrug, Verfahrensmängeln oder fehlender Testierfähigkeit des Erblassers, können die deutschen Gerichte die Anerkennung verweigern oder eine Nachprüfung anordnen. Dies dient dem Schutz der Rechtsverkehrssicherheit und der Interessen der Erben. Um spätere Probleme zu vermeiden, empfiehlt sich bei grenzüberschreitenden Erbfällen die frühzeitige Einschaltung von spezialisierten Rechtsanwälten, die mit den unterschiedlichen Rechtsordnungen vertraut sind und die Antragsstellung sowie Kommunikation mit den Gerichten begleiten.

Wesentliche Aspekte bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Erbfälle:

  • Die EU-Erbrechtsverordnung bildet eine wichtige Grundlage für die Zuständigkeit und das anwendbare Recht innerhalb der EU, erleichtert aber nicht automatisch die Anerkennung in Deutschland.

  • Ausländische Erbscheine und Nachlassentscheidungen werden auf ihre Vereinbarkeit mit deutschem Recht und die Einhaltung des ordre public geprüft.

  • In vielen Fällen ist die Ausstellung eines deutschen Erbscheins erforderlich, der die ausländische Entscheidung berücksichtigt und anpasst.

  • Bei Verdacht auf Rechtsmängel oder Verfahrensfehler kann die Anerkennung abgelehnt oder einer eingehenden gerichtlichen Prüfung unterzogen werden.

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